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Müssen Onlinehändler für die Bewertungen Dritter haften?

  • Morris Hohen
  • 5. Juni 2021
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Mai 2022

Wegen der Frage, ob einen Onlinehändler eine Haftung für die Aussagen in Rezensionen trifft, die Dritte auf seinem Shop veröffentlichten, kam es in Deutschland zu einem jahrelangen Rechtsstreit über mehrere Instanzen. Am Ende hat im Februar 2020 der Bundesgerichtshof diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantwortet (Az. I ZR 193/18).


Im konkreten Fall ging es um ein Produkt, welches durch aufkleben Muskelschmerzen lindern können soll, für dessen Wirksamkeit es aber keine wissenschaftlichen Beweise gibt. Da keinerlei medizinische Studien existieren, die die Wirksamkeit der Schmerzlinderung belegen, ist es dem Verkäufer grundsätzlich untersagt, das Produkt mit dieser Eigenschaft zu bewerben. Ansonsten würde ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegen.


Auf dem Shop des Verkäufers sind allerdings Bewertungen zum Produkt von Verbrauchern zu finden, die dem Produkt eine schnelle und gute Wirkung gegen Schmerzen bescheinigen. Es wurden in den Bewertungen Aussagen zum Produkt gemacht, mit denen der Verkäufer selbst nicht hätte werben dürfen, da sie als potenziell irreführend anzusehen sind.


Eine Verbraucherorganisation erhob deshalb Klage gegen den Verkäufer. Es sei nach deren Auffassung seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass Verbraucher nicht durch die Aussagen in den Produktbewertungen irregeführt werden könnten. Er habe daher Aussagen, die eine schmerzlindernde Wirkung des Produkts bescheinigen, umgehend zu löschen. Der Verkäufer argumentierte vor Gericht, dass es sich nicht um seine Meinung, sondern um die Meinungen Dritter handelt, welche durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt sind.


Der Bundesgerichtshof urteilte nun im Sinne des Onlinehändlers. In seiner Begründung hieß es, dass klar erkennbar ist, dass es sich um Meinungen Dritter handelt. Der Onlinehändler hat ferner die positiven Rückmeldungen nicht veranlasst oder damit geworben. Es handelt sich also nicht um Werbung.


Das Gericht führte weiter aus, dass Erfahrungsberichte grundsätzlich durch das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt werden. Gründe, dieses Grundrecht einzuschränken müssen schwerwiegend sein, denkbar wäre z. B. wenn nachweislich eine Gesundheitsgefährdung vom Produkt ausgeht.



Eigene Meinung zum Urteil


Meiner Meinung drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass nicht alle dieser Online-Bewertungen tatsächlich „echt“ sind. Der Mensch hat eine höhere Motivation, eine negative Bewertung zu schreiben als eine Positive. So kann er aus vielen Gründen unzufrieden nach dem Kauf sein. Wenn der Verkäufer ihm nicht wie gewollt entgegenkommt, könnte er ihm schaden wollen. Ein zufriedener Kunde wird oft zum Stammkunden und hat nur selten das Bedürfnis, eine gute Bewertung zu schreiben, wenn er dafür keine Gegenleistung erhält. Auch könnte durch positive Bewertungen die Nachfrage steigen und das Produkt in der Folge teuer werden.


Ich halte es grundsätzlich für richtig, dass Onlinehändler nicht für die Aussagen von Dritten zu ihren Produkten haftbar gemacht werden können. Interessant ist diesem Fall die Frage, ob das Gericht die Identität der Autoren der betroffenen Bewertungen prüfte. Wenn es sich zumindest teilweise um gefälschte oder gekaufte Bewertungen gehandelt hätte, dann würde es sich letztendlich doch um einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß handeln.


Jedoch muss in solchen Rechtsfällen der Kläger die gefälschte Rezession beweisen, was sich praktisch oftmals als sehr schwer herausstellt. Zu überlegen wäre daher, ob es nicht sinnvoller ist, wenn Onlinehändler eine Dokumentationspflicht trifft, mit der Kundenbewertungen potenziell als „echt“ belegt werden können. Ohne Dokumentation müssten positive Bewertungen zeitnah wieder gelöscht werden.

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